Intensivzeit 1

Bericht I - von Markus Euler
Im Januar genehmigt sich die Gemeinschaft immer Einen. Oder auch zwei, oder drei Zeiträume für sich selbst. Da wir das ganze Jahr über unseren Platz für Gäste offen und Räume für andere halten, ist es uns wichtig, dass wir uns auch mal etwas gönnen. Etwas ganz kostbares: Zeit.Zeit ist gegenwärtig ein kostbares Gut nicht nur in Gemeinschaft, aber auch (vielleicht sogar besonders) dort. Deswegen ist diese Zeit, die wir uns für uns selbst nehmen so besonders. Im Grunde das schönste Geschenk, dass wir uns selbst machen können.

Wir nennen sie Intensivzeiten, Gemeinschaftszeiten, ein bisschen verwirrend, könnte es doch die Vermutung nahe legen, dass die sonstigen Zeiten nicht intensiv oder gemeinschaftlich sind. Gemeinschaft haben wir hier das ganze Jahr und meist ist es auch intensiv. Daher sind die Zeiten im Januar eher aus anderen Gesichtspunkten speziell.

Wir nehmen uns die Zeit für Themen, Bereiche, Inhalte, die oft im Alltag zu kurz kommen. Ja das gibt es auch bei uns. Liebe zum Beispiel kommt, sicher nicht nur bei uns, im Alltag immer mal wieder zu kurz. Sie ist natürlich immer da, aber manchmal muss eins sich Zeit nehmen wieder den Zugang dazu zu finden, freizuschaufeln. Zum Beispiel vom Groll, der oft die Liebe überdeckt, bis sie nicht mehr sichtbar ist. Damit haben wir uns zum Beispiel beschäftigt. Und uns auf diese Weise ‚wieder neu in unsere Gemeinschaft verliebt‘, wie es eine Frau aus der Gemeinschaft formuliert hat.

Gemeinschaft ist einer Partnerschaft nicht unähnlich und da wird es manchmal wie Kästner in seiner ‚sachlichen Romanze‘ formuliert:

Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen: sie kannten sich gut),kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

So kann es einer auch in der Gemeinschaft gehen. Auch wenn die Liebe ja nicht wirklich abhanden kommt, sondern eher überdeckt wird, wie wir gesehen haben. Dann ist es gut, wenn sie wieder ausgegraben, freigeschaufelt wird. Das haben wir gemacht und siehe da, da war sie wieder. Liebe in und für die Gemeinschaft. Im Alltag ist es hier schon manchmal anstrengend und eins hat nicht die Zeit, die Dinge bis zum Ende zu bereden und zu befühlen. Dafür sind diese Zeiten da. Gesprächszeiten, Befühlzeiten, Freischaufelliebesintensivzeiten.

Nachdem wir die Liebe als Teppich für uns ausgelegt hatten, konnten wir mit Hilfe externer Possibility-Management-Trainer Gespräche führen und Gefühle fühlen, für die im Alltag manchmal keine Zeit bleibt. Es ist ungemein reinigend, wenn Menschen gemeinsam ihre Gefühlsbahnen durchputzen. Gemeinsam fühlen ist eine ungemein verbindende Angelegenheit. Wenn ich dich sehen kann, ist das schon gut, noch besser wird es, wenn ich dich fühlen kann. Dazu ist es meist hilfreich, wenn du dich selbst fühlst. Die Methoden, die PM hier anbietet, sind außerordentlich hilfreich. Immer mehr kann dir bewusst werden, wo du im Alltag Dinge ungefühlt liegen lässt. Dann kannst du dir die Zeit nehmen, sie nachzufühlen und bei der nächsten Interaktion um so authentischer sein. Etwas in Tränen auflösen und danach feucht durchwischen, könnte eine heilsame, reinigende Tradition für jede Art von gemeinschaftlicher Unternehmung sein. Mit jeweils dem angemessenen Ausdruck der entsprechenden Emotion. Es sind nicht nur Tränen, aber oft schon.

Wenn wir die Dinge ansprechen, die uns stören, stellen wir oft fest, dass es gar nicht die aktuellen Aktionen sind, sondern die Erinnerung an vergangene Unstimmigkeiten, die uns wirklich tief berühren. So können wir die meisten Konflikte in uns lösen, wenn es auch nicht ohne fremde Hilfe geht. Die Gegenüber sind wichtig dafür, dass wir sehen können, wie sehr die Konflikte in uns sind und von außen oft nur ausgelöst werden. Dies ist für jene, bei denen etwas ausgelöst wird, genauso hilfreich wie für die Auslösenden. Während erstere einen Ansatz zur Lösung finden, bei denen sie nicht von anderen abhängig sind, sind zweitere nicht mehr mit den Vorwürfen belastet, die die Auslösung ausgelöst hat.

Intensivzeit 3

Bericht II - Ausstieg aus der Opferrolle
von Barbara Stützel

Gemeinschaftszeiten dienen immer wieder als Nahrung, weil wir mehr Zeit füreinander haben und mehr als im Alltag voneinander erfahren. Dieses Mal gab es In unserer Januarintensivzeit zwei sehr unterschiedliche Blöcke. Und doch passten sie zusammen, hatten sie doch beide zur Ausrichtung, wie wir stärker in unsere Verantwortung kommen und Gestalter:innen unserer Wirklichkeit werden können.

Den ersten Teil gestaltete Dolores Richter als Liebeszeit. Die Sehnsucht nach Liebe wurzelt in einem Mangel, den jede von uns erfahren hat. Und sie ist oft ein Motor für Menschen, ins ZEGG zu kommen, sei es als Gast oder als Gemeinschaftsmitglied. Wenn ich diesen gewohnheitsmäßig in mir verankerten Mangel nun auf die Gemeinschaft projiziere, entsteht oft Enttäuschung. Die Gemeinschaft ist selten gut genug. In einem Prozess aus Vortrag, Meditationen und Übungen führte Dolores uns in einen besonderen Zustand: Wir übten die Liebe, nach der wir uns sehnen, unabhängig vom außen stärker in uns zu spüren. Vielleicht ist es die göttliche Liebe? Oder das Wissen, im Leben verankert zu sein? Je stärker ich diese Erfahrung in mir trage, desto mehr entsteht auch eine Resonanz im außen. In diesem Zustand der Öffnung wurden die Foren in der Gemeinschaft tief berührend und wir konnten erneut das Liebesfeld unter uns wahrnehmen, für das wir mal angetreten sind.

In den Tagen darauf begleiteten uns Michael Pörtner und Eva Daubert mit Übungen aus dem Possibility Management. Mit präzisen Modellen und Übungen unterstützt diese Methode das „Erwachsen werden“ und radikal verantwortlich handeln. Immer wieder ertappte ich mich dabei, wie ich lieber kleine Vorwürfe austeile statt klar zu benennen, was in mir vorgeht. Oder aus Ängsten der Vergangenheit heraus handele. Oder eine Kritikerstimme in mir mich mit ihrem „Du solltest aber..“ unter Druck setzt. Mit all dem erkenne ich erneut, dass vieles von dem, was ich in der Gemeinschaft wahrnehme, eigentlich vor allem in mir stattfindet. Also geht es im nächsten Schritt darum, Annahmen zu überprüfen. Wenn ich denke, du denkst – dann kann ich einfach nachfragen, ob es stimmt. Und - Überraschung: oft stimmt es nicht….

Es ist ungemein hilfreich, diese Schritte, mit denen ich mir auf die Schliche komme, zusammen mit anderen zu gehen. Denn dann können wir uns im Alltag gegenseitig darauf aufmerksam machen, leichter nachfragen. Und trotzdem miteinander gnädig sein, wenn Dinge mal wieder schwierig sind. Ich bin immer wieder dankbar, solche Prozesse nicht in anonymen Workshops, sondern in meinem Zuhause erleben zu dürfen. Und froh, dass es mich wieder eine Zeitlang besser durch den Alltag trägt.

Intensivzeit2

 

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