Radikal gemeinsam

„Ich bin dabei“: Mit einem Handschlag bekräftigt am ersten Abend unserer Intensivzeit jede:r von uns, dass er oder sie bis zum Ende der verabredeten Zeit nicht aussteigt. Wir sind für 8 Tage im Januar verabredet – außer Montag bis Freitag von 9 – 16 Uhr, damit werktags auch gearbeitet werden kann. Und wir bleiben zusammen, nicht nur in definierten Gruppenzeiten, sondern auch ‚im Alltag“: kochen, Essen, Pause machen, Schlafen.

Das Ziel dieser Zeit: Wir verdichten unser Miteinander noch einmal, wir lernen einander näher kennen, auch in den Bereichen von ‚Mensch sein‘, die fragil und möglicherweise schambesetzt sind. Wir versuchen, mit Hilfe der ganzen Gruppe, unsere angelernten Muster und Gewohnheiten und ‚blinden Flecken‘ zu erkennen – und vielleicht zu verändern, wenn wir sehen können, dass sie für das gemeinschaftliche Leben und für die Stärkung unserer Liebeskraft nicht dienlich sind. Wir versuchen die Dinge zu klären, die möglicherweise zwischen uns stehen, so dass voller und unbelasteter Kontakt (wieder) möglich wird.

Wir hatten uns entschlossen, die Gruppe in diesem Jahr wieder für neue Menschen zu öffnen, und freuen uns, dass drei ‚Neue‘ hinzugekommen, sind; im Altersspektrum von 23 bis 72 Jahre.

So gab es mal wieder frischen Wind und auch manch neuen erweiterten Blickwinkel.

Zugleich haben drei langjährige Teilnehmer:innen der Gruppe aus verschiedenen Gründen ihre Teilnahme abgesagt, so dass wir wieder bei der bewährten und irgendwie auch magischen Zahl von 13 Teilnehmer:innen waren. Fünf von uns waren auch schon 2012 im Gründungsjahr der Gruppe dabei. Zu dem Zeitpunkt konnte ich (Georg) mir kaum vorstellen, dass es die Gruppe auch heute, im Jahre 2023, noch geben würde.

Als ‚Group of all leaders‘ bezeichnen wir uns, das ist ein Kernelement: Radikal gemeinsam ohne feste Gruppenleitung, Wer bestimmt, wenn unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche im Raum sind? Wie entscheiden wir dann? Finden wir zusammen eine Lösung, die für alle stimmt? Oder zumindest eine, wo alle mitgehen können? Da braucht es mitunter Zeit für Verständigung, Aufgeben von alten Macht- und Ohnmachtsstrukturen. Paradigmenwechsel ist angesagt!

Radikal gemeinsam2

Was wir wann wie machen– darüber entscheidet die ganze Gruppe gemeinsam.

Je mehr wir aufeinander eingestimmt sind, desto besser können wir erkennen, was das „Wir“ der Gruppe braucht - und dafür müssen die Interessen der Einzelnen auch mal zurückstehen.

Wenn uns das gelingt, entwickeln und weben wir einen Boden für Vertrauen und kollektive Intelligenz.

Manchmal gibt es auch eine Leitung für bestimmte Inhalte und da wird jedes Mal neu geschaut: Wer hat gerade inneres Feuer oder Kompetenz oder Fragen für ein bestimmtes Thema? Möchte etwas beleuchten? Ist gerade selbst gut aufgestellt um Prozesse anderer oder Forumsauftritte zu begleiten? Alle sind ermächtigt und ermutigt, Leitung zu übernehmen, diese auch zu üben und dafür Feedback von der Gruppe zu bekommen.

Beim ersten richtigen Gruppentreffen (am Nachmittag des zweiten Tages) sammeln wir Ideen darüber,was wir gemeinsam machen könnten. Diese werden auf einem Flipchart notiert. Gleichzeitig heißt es: ‚Go with the flow‘; wir arbeiten keine Agenda ab, sondern entscheiden täglich neu, was in der gemeinsamen Zeit ‚dran‘ ist.

Bei den Morgeneinstimmungen findet sich täglich per ausgehängter Liste jemand, der/die sie anbietet. Die experimentelle Vereinbarung ist, dass mensch mitmacht, egal, ob das Angebot – von Yoga über Atemmeditation bis zu Klassische-Musik-Hören – nun gerade gefällt oder nicht. Sich-Einlassen ist gefragt.


Viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Gruppe sind in verschiedenen Kreisen des ZEGG aktiv und haben zum Teil verantwortliche Positionen.
Ein Spezifikum der diesjährigen gemeinsamen Zeit war es, dass wir uns oft mit der Schnittstelle zwischen ‚privaten‘ und ‚öffentlichen‘ Themen bewegt
haben:

Wo hat das ganz Persönliche Auswirkungen auf das große Ganze (und damit meinen wir zunächst mal den Gesamtorganismus ZEGG-Gemeinschaft)?

Als Gemeinschaft beschäftigt uns zum Beispiel stark das Thema ‚Generationswechsel‘. Die Gründergeneration, geboren in den 50er und 60er Jahren, will und muss Verantwortung abgeben. Wer nimmt sie – und was verhindert unter Umständen, dass sie genommen wird? Liegt es daran, dass das Abgeben zu schwer fällt – auch wenn die gesprochenen Worte etwas anderes sagen? Was sind die persönlichen Charakterstrukturen auf Seiten der Älteren, die es den Jüngeren oft schwer machen, von den ‚Alten‘ zu nehmen? Wo gibt es tatsächlich Generationsunterschiede generellerer Art und wie gelingt es, sich da untereinander zu verständigen?

Bin ich ansprechbar? Kann ich zuhören? Meinen Standpunkt klar einbringen? Mich, falls ich getriggert bin, klären und wieder öffnen? Unterstützung annehmen? Fehler eingestehen? Klares Feedback geben? Eventuell alte Bilder, die ich über mich oder mein Gegenüber habe, aktualisieren? Grenzen in Kontakt setzen? Neues ausprobieren? Brücken bauen?


Mehr Berührbarkeit, Demut, Dankbarkeit, mehr voneinander Wissen, größere Gelassenheit - das sind (hoffentlich) Früchte dieser intensiven gemeinsamen Zeit, die in das Gemeinschaftsleben jenseits von ‚Radikal Gemeinsam‘ hineinwirken werden.

Wir freuen uns über den Zuwachs von Energien, Erkenntnisse und Ideen, die die Gruppe durch die neuen und alten Teilnehmer:innen bereichern werden und sind nach dieser intensiven gemeinsamen Zeit zuversichtlich, dass etwas von der Erfahrung von Öffnung, Gemeinschaftlichkeit und Vertrauenszuwachs auch noch in den nächsten Wochen und Monaten zu spüren sein wird, wenn der ‚Betrieb‘ wieder Fahrt aufnimmt.

von Georg Lohmann und Cornelia Schöttler

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