Wie feiert eine Gemeinschaft Geburtstag? Die spirituelle Gemeinschaft Damanhur in Norditalien lud anlässlich ihres 50-jährigen Jubiläums zu einer Konferenz ein. Sie wollten mit Gleichgesinnten über die Bedeutung von Gemeinschaften in der Polykrise nachdenken: Welche Antworten haben andere Gemeinschaften gefunden? Barbara Stützel fuhr über die Alpen, um das ZEGG zu vertreten und selbst Antworten zu finden. In ihremReisebericht geht sie auf drei Ebenen ein: das Kennenlernen von Damanhur, den Austausch mit anderen Gemeinschaften und ihren Vortrag.

Kennenlernen von Damanhur

Damanhur ist eine Gemeinschaft, deren Mitglieder alle Teil der Medit-Actions Schule ihres Gründers Falco Tarassaco sind. Ca. 400 leben vor Ort, viele Hunderte Mitglieder an verschiedenen Orten in der Welt. Worauf wir im ZEGG immer schon neugierig geschaut haben, ist die Aufteilung in Nuclei (von Nucleus = Kern), d.h. familiäre Hausgemeinschaften zwischen 5 und 20 Menschen.

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Der Zusammenhalt wird außerdem unterstützt durch den gemeinsamen spirituellen Weg: Rituale, Wachstumsaufgaben, Verpflichtungen zu Freundlichkeit, eine kontinuierliche innere Arbeit je nach gewähltem Weg. Ob die vorgeschriebenen Wege für die Mitglieder auch ungewollte Einschränkungen in ihrer Freiheit bedeuten, konnte ich in der kurzen Zeit nicht feststellen. Ein spannender Punkt für mich und die im ZEGG häufige Angst vor zu viel Regeln: Die Regeln der „Verfassung“ in Damanhur werden nur solange festgeschrieben, bis sie sich in der Kultur verankert haben.Danach braucht es sie nicht mehr und sie werden entfernt:So wurde die Verfassung mittlerweile von 50 Regeln auf 16 „verschlankt“. Und natürlich war ich wie fast alle Besucher:innen begeistert von dem Aushängeschild Damanhurs:den unterirdischen Tempeln der Menschheit, ein Meisterwerk der Kunst und spirituellen Wissens.

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Austausch mit anderen Gemeinschaften

Findhorn, Damanhur, Auroville – Vertreter:innen der Giganten der Ökodorfbewegung waren an einem Platz. Meine wichtigste Frage war: Wie macht ihr das mit dem Generationwechsel? Viele beschrieben den Spagat zwischen der Bedeutung und dem Erhalt des Gründungsimpulses und der notwendigen Offenheit für neue Energien. Da konnte ich mich gut mit unseren ZEGG-Erfahrungen einreihen. Es war sehr berührend, näher zu erfahren, durch welch tiefe Krisen Findhorn und Auroville aktuell gehen – auch langjährige Gemeinschaftserfahrung bewahrt nicht vor Wandel. Die daraus entstehende Erkenntnis und damit ein wichtiger Rat lautet: Baut Netzwerke aus Freund:innen auf! Wenn die äußeren Umstände schwierig werden, können sie helfen. Vielleicht können auch wir unser Freundes-Netzwerk noch vertiefen? Stabile Kontakte in die jeweilige Region wurden von allen außerdem als hilfreich benannt.

Und alle waren wir uns einig, dass Gemeinschaften Modelle sind für ein Leben nach der Krise: ökologischer, sozialer und stärker ausgerichtet auf ein Leben in Verbundenheit. Das war zu erwarten, immerhin leben alle Teilnehmenden aus Überzeugung in Gemeinschaften. Doch es so einheitlich zu hören, hat mich bestärkt.

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Mein Beitrag

Ich selbst war als Sprecherin für das ZEGG eingeladen und mein Vortrag hieß: „Soziale Spiritualität – von Beziehungen zu globalem Bewusstsein“. Die Polykrise hat ihren Ursprung in der großen Trennung, die in unserer Kultur besteht: zwischen den Menschen und der Natur, den Menschen untereinander und den Menschen mit ihrer Quelle. Ökologisches Handeln und Fokus auf Spiritualität ist in unserer alternativen Blase einigermaßen „in“, aber die soziale Frage ist nach wie vor ungelöst in unserer Gesellschaft. Viele Menschen fühlen sich einsam und auf sich gestellt. Verlässliche Einbindungen, die Sicherheit geben, gibt es wenige. Eine ganzheitliche Spiritualität sollte auch hier Antworten suchen. Hier empfinde ich Gemeinschaften als ein sinnvolles und anderes Modell: Beziehungen sind transpersonaler. Zugehörigkeit und Unterstützung – emotionaler und finanzieller Art – gibt es auch jenseits von persönlichen Befindlichkeiten und Krisen. Zumindest bei uns im ZEGG experimentieren wir viel damit, emotional gehaltene Räume für alle zu schaffen und in letzter Zeit kreieren wir auch ein ökonomisches System, das immer solidarischer wird. Das Forum schafft Transparenz auch an verletzlichen Stellen und ermöglicht so ein tieferes Dazugehören zum Menschsein. Sein Transformationspotenzial nährt die Hoffnung auf Veränderung auch im Großen. Aus dieser Verbundenheit wird es auch immer mehr möglich, finanziell füreinander einzustehen.

Solche transpersonalen Beziehungen ersetzen keine Freundschaften, aber sie erfüllen Grundbedürfnisse nach Sicherheit und Zugehörigkeit, Anerkennung und Wirksamkeit. So können Gemeinschaften in Zeiten von Krisen Inseln von Vertrauen werden.

Von Barbara Stützel, Mai 2025

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