Worum geht es in der Demokratie? Und was können Gemeinschaften dazu beitragen? Dieser Frage ging auch das diesjährige GEN Frühjahrstreffen im Ökodorf Sieben Linden nach. Sieben Menschen aus dem ZEGG waren dabei. Die Demokratie ist in Gefahr, heißt es immer wieder. Die Erfahrung lehrt, dass unser jetziges System nicht genug Lösungswege nutzt für die Polykrise. Die Folge? Weltweite Hinwendung zu radikaleren Alternativen, weil sie Veränderung versprechen.
Doch verändern sie wirklich zum Guten? Die Amtszeit Trumps zeigt nichts davon, bisher wurde kein Versprechen wirklich umgesetzt, Kriege und Wirtschaftsabschwung gehen weiter. Im Gegenteil: die Nichtachtung von Recht und Gesetz wird hoffähig. Und das leider auch hier in Deutschland, wo das Völkerrecht unterschiedlich interpretiert wird, je nachdem wer es bricht. Wo bleibt hier der Aufschrei? Menschenrechte müssen gelten, egal in welchem Kontext.
Und vielleicht geht es heute weniger um ein ganz anderes System, sondern darum, das System so zu verändern, dass es seiner ursprünglichen Vision wieder näher kommt. Demokratie funktioniert nur durch Lernen von Verantwortung von klein auf, durch Anteilnahme mittels unabhängiger Medien, durch aktive Beteiligung. Und durch Auseinandersetzung mit Unterschieden.
Hier kommen Gemeinschaften ins Spiel, als Trainingsfelder für eine demokratische Haltung. Denn wir sind große Gruppen mit unterschiedlichsten Menschen und Meinungen. Wir können uns die anderen Menschen der Gemeinschaft nicht alle aussuchen und doch gelingt uns eine gemeinsame Lebensgestaltung.
Peformance zu Palästina beim GEN Treffen
Dieter Halbach, Mitglied von „Mehr Demokratie“ und Redakteur des „demokratie!-Magazin für Beteiligung und direkte Demokratie“ sagte in seinem Eröffnungsvortrag der diesjährigen Konferenz von Global Ecovillage Network (GEN) Deutschland:
„In meinen Augen ist unsere wesentlichste Errungenschaft die Verbindung von Demokratie und innerer Gemeinschaftskultur. Wir (in Gemeinschaften) können jederzeit, auch bei Konflikten, auf unsere ganzheitlichen Werkzeuge zurückgreifen. Wir begegnen uns nicht als Marionetten von Meinungen - wie in der Politik-, sondern als verbundene, sich erkennende und wandelbare Wesen. Das ist nicht immer einfach, aber enorm hilfreich und befreiend.
Mit „Mehr Demokratie“ entwickeln wir neben neuen Beteiligungsstrukturen auch demokratische Kommunikation und setzen Gemeinschaftsmethoden in politischen Prozessen ein (Dialog, Systemaufstellungen, Traumaarbeit). Die Demokratie von der Staats- zur Lebensform entwickeln nennen wir das. Denn obwohl es in der Politik scheinbar um die Sache geht, wuchern unbewusst die Emotionen, noch verstärkt durch die asozialen Medien. Es braucht geschützte und moderierte Räume der direkten Begegnung und der Beteiligung, wie geloste Bürgerräte u.a.“.
Der vollständige Vortrag von Dieter Halbach findet sich hier als Video.
In Gemeinschaften lernen wir, mit unseren Emotionen bewusster umzugehen. Weder angstvolle Anpassung noch aggressiver Angriff führen zu wirklichen Lösungen. Wenn wir es jedoch schaffen, in einer Haltung von Empathie und Selbstverantwortung für die eigenen Trigger unsere Unterschiedlichkeiten in Kontakt zu bringen, werden gemeinsame Lösungen möglich. Voraussetzung ist das Bewusstsein für die eigene innere Vielfalt und daraus abgeleitet ein respektvoller Umgang mit Meinungsvielfalt im Äußeren sowie eine innerliche Beweglichkeit.
Und: dies ist die Vision, die Wirklichkeit eine andere. Auch wir im ZEGG schaffen es leider nicht immer. Die Covid-Debatten hinterließen ein Gefühl von Vergeblichkeit in Gesprächen, die Lust an politischen Auseinandersetzungen ist – wie vermutlich woanders auch – gesunken. Was bei uns anders ist: die Verbindungen bleiben trotz unterschiedlicher Meinungen bestehen. Hier wünsche ich uns noch mehr Lust an politischer Auseinandersetzung, während der die Position der anderen gehört und verstanden werden, ohne dass eine gemeinsame Wahrheit gefunden werden muss.
Diese Lust an politischer Auseinandersetzung befriedigte das Frühjahrstreffen von GEN Deutschland. Das Thema „Demokratie“ wurde explizit eingeladen und so gab es auch mehrere Workshops dazu. Eine Performance zu Gaza/ Israel berührte alle Teilnehmenden und führte vermehrt zu Gesprächen. Ich selbst habe einen Workshop zu Covid-Konflikten geleitet, in dem es darum ging, in die Motive und Haltung der jeweiligen Gegenseite hinein zu fühlen statt mit Argumenten zu begegnen. Eine demokratische Aufstellung, die Dr. Josef Merk von „Mehr Demokratie“ leitete, zeigte ein neues Format, komplexe Zusammenhänge und alle beteiligten Stimmen sichtbar zu machen. Denn schon Albert Einstein sagte: „Gott hat nicht jedem Alles gegeben, sondern Allen etwas. Damit wir einander bedürfen“.
Ich bin überzeugt: Je mehr alle vorhandenen Stimmen gehört werden können, desto besser ist die daraus emergierende Lösung. Dies ist unsere Erfahrung aus Gemeinschaften. Lasst uns zuhören lernen!
Barbara Stützel, Juni 2025
Mehr Informationen unter https://www.mehr-demokratie.de/mehr-wissen/demokratische-kultur
Der Ökodorf-Podcast. Folge 127: Gemeinschaft als Demokratie-Labor. Mit Dr. Josef Merk von „Mehr Demokratie e.V.“
Liebeslied für die Demokratie von Dieter Halbach und Chor aus dem Fläming und ZEGG