Bill Nickl

Bill Nickl kennt das Projekt, aus dem das ZEGG hervorgegangen ist, seit 1984 und lebt seit 1991 im ZEGG. Seit vielen Jahren ist er in der Regionalpolitik in der Stadt aktiv und sitzt seit kurzem für die Fraktion „Die Linke“ in der Stadtverordnetenversammlung. Barbara Stützel hat ihn zu seinen Aktivitäten interviewt.

Wie hat sich dein Interesse für die Region entwickelt?

Für mich war immer wichtig, dass wir als ZEGG auch eine Ausstrahlung in die Region haben und nicht als isolierte Blase existieren. Wir sind Teil der Stadtgemeinschaft und daher ist mir wichtig, mit anderen zu kommunizieren, seien es Bürger und Bürgerinnen, Unternehmen, der Bürgermeister oder politische Akteure. Wir sind die zweitgrößten Kurtaxen-Bezahler und deswegen war ich seit der Eröffnung der Steintherme in Bad Belzig vor nunmehr 20 Jahren immer wieder im Austausch mit allen Geschäftsführern der Steintherme. Als 2012 der deutsche Wandertag nach Bad Belzig kam, habe ich mich als Wanderleiter ausbilden lassen und begann mich anschließend als Gästeführer in Bad Belzig zu engagieren. Damit wuchs auch mein Interesse an der Stadt -und der Landschaftsgeschichte. Ich habe thematische Führungen entwickelt, z.B. zur Reformation und zur alten Gerichtsbarkeit in der Stadt. Daraus haben sich dann auch Vorträge über die Stadtgeschichte für die Reha-Klinik ergeben. Um die Stadt als Gesundheitsstandort zu entwickeln, hat sich ein Netzwerk Gesundheit ( Stadtverwaltung, Krankenhaus, die Reha Klinik, die Stein-Therme, der Heilort und das Fitnessstudio Relaxare) entwickelt, an dem ich mich seit Gründung aktiv beteilige.

Stadtführung mit bill

Was möchtest du denn erreichen?

Mir ist ein Anliegen, den Belziger:innen und allen Interessierten unser Leben hier nahe zu bringen und Kommunikationskanäle zu öffnen, Misstrauen abzubauen, Gerüchten vorzubeugen. Wir sind ja gleich nach der Wende hier gestartet und waren anfangs einigem Misstrauen ausgesetzt. Dem kann man am besten begegnen, wenn man in Kommunikation geht. Und ich möchte mein Lebensumfeld mitgestalten.

Zunächst kannten mich die Menschen durch meine Extremläufe und darüber lernte ich die Laufszene in der Region kennen und konnte in der Regionalzeitung auch oft über meine Erlebnisse berichten.

Durch meine Mitarbeit bei der Entwicklung des Leitbilds für Bad Belzig wuchs mein Interesse an der Stadtpolitik und ich besuchte immer öfter die Stadtverordnetenversammlungen, um mich zu informieren, in welche Richtung sich die Stadt entwickelt. Dann wurde ich angefragt, ob ich für die Linke für das Stadtparlament kandidieren möchte und wurde schließlich sachkundiger Einwohner im Stadtentwicklungsausschuss. Und nun bin ich nachgerückt auf der Kanditaten-Liste, nachdem mein Vorgänger als Stadtverordneter zurückgetreten ist. Das ist noch einmal was anderes, denn jetzt kann ich mit entscheiden und mit bestimmen. Damit ist auch immer das ZEGG vertreten, weil alle wissen, dass ich aus dem ZEGG komme.

 

Siehst du dich als Brückenbauer?

Irgendwie schon. Obwohl ich dort natürlich nicht als Vertreter des ZEGG auftrete, sondern einfach Teil eines politischen Gremiums bin, das über die Stadt nachdenkt. Ich möchte mich für eine nachhaltige Entwicklung der Region und für eine solidarische Kommunikationskultur einsetzen. Da, wo es möglich ist. Letztlich gibt es auch viele Sachzwänge. Wenn es um die Feuerwehr geht, dann geht es halt darum. Gerade wird der Verkauf der Sporthalle an den Landkreis diskutiert. Ich entscheide im Interesse der Stadt, der Menschen, die hier leben, das ist mein Anliegen.

Wichtig ist mir auch, den Menschen, die im ZEGG leben, die Region näher zu bringen. Das ist allerdings nicht so leicht, da gibt es oft wenig Interesse….

 

Mit deinen Führungen hast du dich ja auch viel mit Geschichte befasst. Was bedeutet das für dich?

Mit Geschichte verbinde ich mich mehr mit dem Ort, wo ich lebe. Früher hat die Altstadt für mich nichts bedeutet, jetzt sehe ich in den Häusern die Geschichte. Das ist wie mit Pflanzen, wenn ich mich mit Pflanzen beschäftige, habe ich einen differenzierteren Blick auf das, was mich umgibt und dann wächst das Interesse. Wenn man als „Westler“ oder Österreicher in die Ex DDR kommt, dann ist es für mich ein „muss“ sich mit der Geschichte zu beschäftigen, um zu vermeiden, dass man sich aus Arroganz zu Dingen äußert, die man nicht kennt. Wir kamen mit dem ZEGG ja auch an einen sehr geschichtsträchtigen Ort und die Geschichte unseres Geländes hat mich von Anfang an interessiert. Daraus entstand dann auch in Kooperation mit unserer Ortschronistin eine sehr informative Broschüre.

 

Wie ist es für dich, der Geschichte in Deutschland als Österreicher zu begegnen?

Wenn man sich für die Region interessiert, beheimatet man sich mehr. Ich bin ja Immigrant und fühle mich auch nicht als Deutscher. Aber wenn ich in die Stadt gehe und weiß, dass ich da mitwirke, dann schafft das Heimat und ich lebe nicht nur in einer Blase in einer Region, die mich nichts angeht. In Gemeinschaft ist man schnell in einer Echoblase und kriegt nicht mehr mit, was andere denken. Und stellt sich dann leicht darüber. Mir ist Respekt wichtig, und Kontakte zu haben mit Menschen, die in anderen Lebenszusammenhängen leben. Dazu gehört auch, nicht nur den Kopf zu schütteln, dass es so viele AFD Wähler gibt, sondern sich hinein zu fühlen wie die Biografien der Menschen waren, was man ihnen versprochen hat. Was war, das wirkt noch weiter. Wie auch der 2. Weltkrieg nicht vorbei ist. Da haben unsere Eltern gelebt und Dinge weitergegeben an die Kinder. Wir leben in einem geschichtlichen Kontinuum, Geschichte wirkt weiter.

 

Wovor hast du Respekt, wie Menschen hier was bewältigt haben?

Naja, wie Menschen das Regime zu Fall gebracht haben. Es war ein friedlicher Systemwechsel, das große Ereignis des 20. Jahrhunderts. Was nicht so toll war, war die automatische Wiedervereinigung. Ich erlebe da viel Respektlosigkeit den Lebenswirklichkeiten der DDR gegenüber, sie war im Nachhinein nur noch Stasidiktatur. Dabei hat man im Westen nie BND Diktatur gesagt. Das Bild, dass der Westen eine reine Demokratie ist und der Osten nur Diktatur, stimmt ja so auch nicht. Und der Aufbau Ost, war letztlich nur ein Aufbau von Westfirmen. Die Ostfirmen wurden einfach aufgelöst. Menschen wurden oft verarscht und die Quittung bekommen wir jetzt. Geschichte wirkt.

Was haben Menschen, die im Osten aufgewachsen sind, gedacht? Welche Werte haben sie hoch gehalten? Man sollte viel fragender ran gehen und weniger verurteilend. Dann würde sich einiges anders entwickeln.

 

Und was kannst du jetzt in der Stadtverordnetenversammlung erreichen?

Auf der regionalen Ebene kann man sehr wohl Einfluss haben. Die Fragen, die entschieden werden, betreffen dich direkt, sei es die Verkehrsregelung in der Innenstadt, ob eine Sporthalle für Flüchtlinge genutzt wird, ob Straßenbeleuchtung auf LEDs umgerüstet wird, wo Windräder aufgestellt werden, welche Bauflächen freigegeben werden. So was können wir mit entscheiden.

Andere Themen sind auf Landkreisebene, aber da kann man auch noch Kontakt hin haben. Bundestagsabgeordnete sind schwerer zu erreichen. Auf der Bundesebene kannst du nur wählen oder demonstrieren, noch haben wir wenige Elemente der direkten Demokratie. Da werden Bürgerräte eine Verbesserung sein. Denn Demokratie wird nur funktionieren, wenn Menschen sich daran beteiligen. Nur ablehnen, was andere beschlossen haben oder nicht mehr wählen gehen, schafft nichts Neues. Es geht darum, hinzugehen, sich zu Wort zu melden, Demokratie braucht aktive Bürger. Es reicht nicht, alle 4 Jahre zu wählen und dann zu schimpfen. Wichtig ist, dass man in der Gesamtverantwortung bleibt. Und sich einmischt, nicht nur protestiert, sondern sich beteiligt. Das ist in Gemeinschaft auch nicht anders.

 

Das klingt so, als hättest du das in Gemeinschaft gelernt…

Viel davon schon. Unsere Lebensweise ist schon sehr anders als die im Klinkengrund (Wohnviertel in Bad Belzig). Und die Menschen sind neugierig auf uns. Man ist ja eine öffentliche Person, wenn man im ZEGG lebt. Wie wir uns in der Stadt verhalten, prägt das Bild, was die Belziger vom ZEGG halten. Ich finde das gut, ich bringe gerne Menschen mit unserer Art zu leben in Verbindung. Ich mache auch Führungen hier am Platz für Vereine, Schulen etc. So bringe ich den Menschen nahe, dass man auch seine Träume leben kann und nicht nur zwangsweise einem Programm im Leben folgen muss. Das habe ich in Gemeinschaft gelernt. Es ist möglich, seine Träume zu leben, auch wenn sie am Anfang unrealistisch klingen.

 

Vielen Dank für das Gespräch und deinen engagierten Einsatz im ZEGG und der Region.

 

Ansprechbar für Führungen in Bad Belzig, Beelitz Heilstätten, der Region Fläming und auch im ZEGG: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

 

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