Transformation rotes Sofa

Das einzig Beständige ist der Wandel. So platt dieser Satz daherkommen mag, selten war er so wahr, wie in diesen unruhigen Zeiten. Nicht nur unsere Umgebung ist durch Krieg, die Pandemie und ihre Folgen aus den Fugen geraten, auch innergemeinschaftlich gab es immer wieder Bewegungen, die sich wie Erschütterungen oder gar Erdrutsche anfühlten. Verzweifelt versuchen wir uns ein bisschen ‚Normalität‘, Beständigkeit, Harmonie festzuhalten, doch je mehr wir es versuchen, desto mehr zerrinnt sie uns zwischen den Fingern.

Einst haben wir über die große Tafel am Campus, an der die 12 Thesen für eine gewaltfreie Erde prangten, ein weißes Plakat gezogen: auf diesem stand als einziges Wort ‚Wandel‘. Es sollte uns an etwas erinnern, dass wir im Alltag nur allzu gern vergessen. Alles ist in Bewegung, füge dich darein, entwickle dich weiter, nimm neue Kontakte auf, begrüße Veränderungen. Als Gemeinschaft sind wir an dieser Stelle mehr gefordert als andere Organisationen. Wenn wir eine transformatorische Gemeinschaft sein und bleiben wollen, genügt es nicht auf der Stelle zu treten, wir müssen weiter gehen.

Denn selbst Transformation transformiert sich, hat sich transformiert. Wir glauben heute nicht mehr, dass wir Transformation machen können. Im Gegenteil sind wir gehalten Räume zu schaffen, in denen Transformation geschehen kann. Als ich das ZEGG in den 90er Jahren kennenlernte war ich beeindruckt von der intensiven menschlichen Arbeit. Heute bin ich beeindruckt über die Impulse, die wir Menschen geben und wie sie sich und wir uns daraufhin entwickeln. Was wir nicht mehr tun und nicht mehr tun wollen: Menschen dorthin zu schubsen, wo wir denken, dass es gut für sie wäre.

Erstens, weil wir gar nicht wissen können, was für Menschen jeweils gut wäre.

Zweitens, weil die Entwicklungsschritte, die Menschen tun, intensiver und vor allem nachhaltiger sind, wenn sie aus eigenem Antrieb geschehen. Auf diese Weise tragen wir zur Transformation der Gemeinschaft und damit der Welt bei. Wir ringen um Antworten auf gemeinschaftliche Fragen. Entwickeln uns als Mensch unter Menschen. Manchmal erleben wir Scheitern und immer wieder gibt es kleinere oder größere Durchbrüche, für Einzelne oder als ganze Gemeinschaft.

Manchmal frage ich mich, ob das genug ist. Ich frage mich, ob wir nicht mehr tun sollten, mehr tun müssten angesichts des Zustands der Welt. Aber dann komme ich darauf, dass ich mich auch selbst nicht mehr schubsen mag und meine Entwicklung in der ihr inne liegenden Intelligenz und Geschwindigkeit machen will, wie auch in meiner Gemeinschaft. Ungeduld hat gerade an dieser Stelle selten gutgetan. Oder, um es mit den Worten der Großmutter eines ehemaligen Gemeinschaftsmitglieds zu sagen: Bub, mach langsam, damit’s schneller geht!

Eva und CO plant Zukunft

Bei den ganzen Bewegungen im Gemeinschaftsgefüge bewegen wir uns gemeinschaftlich bald hier hin, bald dorthin und dabei gibt es auch immer wieder Schritte aus der Gemeinschaft heraus. So schmerzhaft dies persönlich auch sein mag, im größeren Kontext müssen wir erkennen, dass wir diese Bewegungen nicht vermeiden können. Wir können uns lediglich entscheiden diese Prozesse als Verlieren von Freunden zu sehen oder den Fluss des Lebens akzeptieren.

Was bleibt? Woran sollen wir uns orientieren?

Es gibt immer noch Fixpunkte, an denen wir uns ausrichten. Ein lebenswertes Leben, ein nachhaltiges Leben, eine menschliche Arbeitsatmosphäre, die uns Sicherheit gibt, damit wir an anderen Stellen nicht durch Konsum kompensieren müssen. Für all dies und so viel mehr steht das ZEGG. Aber wir sind uns auch bewusst, dass wieder Wandlungsprozesse kommen werden, die all das in Frage stellen. Phasenweise mag es dann nach Katastrophen oder Zerfallserscheinungen aussehen. Dies sind aber keine Fehler auf dem Weg. Vielmehr gehören diese Phasen untrennbar zu unserem Weg dazu: „Die dabei auftretende geistige Spannung und Schwebung muss ausgehalten werden. Die voreilige „Lösung“ geistiger Probleme durch die Reduktion der Gesamtwahrheit auf einen einzelnen Aspekt war eine ideologische Methode der alten Epoche.“1

Zu schnell, zu unterkomplex auf eine Herausforderung zu reagieren hat uns in der Vergangenheit viele Probleme gebracht. Ich mag die Vorstellung auf unsere Prozesse zu schauen und dabei zu versuchen zu verstehen, was die Welt von uns braucht, was sie von uns lernen kann, was wir beitragen können, nicht nachdem wir alle geistigen Probleme ‚gelöst‘ haben, sondern während wir beim Lösen dieser Probleme sind.

Ein Aspekt dabei ist für mich immer das Fühlen dessen was ist, auch oder gerade, wenn es sich einmal unkomfortabel anfühlt. Dies Gefühl nicht gleich wegmachen zu wollen, mit einer eiligen Lösung. Überhaupt nicht meinen, dass es um eine Lösung geht. Vielleicht geht es vielmehr darum sich in das beständige Fließen der Welt einzufügen und unseren Teil dazu beizutragen, dass es am Fließen bleibt. Manchmal glaubt mensch vielleicht, dass es keine Hoffnung mehr gibt. Dass die Menschheit als Modell längst ihr Haltbarkeitsdatum überschritten hat.

Doch „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat - egal, wie es ausgeht.“2

Zu diesem Sinn tragen wir bei, in unserem eigenen Prozess und immer wieder mit euch, wenn ihr als Gäste bei uns seid.

1 Duhm, Dieter: Aufbruch zur neuen Kultur. S.16

2 Václav Havel (1936 - 2011) tschechischer Schriftsteller, Menschenrechtler und Politiker.

Markus Euler

Markus Meditation

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