Zugehörigkeit 1

Es ist ganz leicht dazu zu gehören, wenn du weißt was du willst.“
 
Sucha Wolters, Gemeinschaftsintensivzeit 2008

Gemeinschaft ist immer ein Aushandeln von Zugehörigkeit. Schon als ich die erste Jahresgruppe im ZEGG gemacht habe, ging es bald darum:
Welche gehört dazu und welche nicht? Wovon hängt es ab, wovon sollte es abhängen, ob oder und das du dabei bist / dazu gehörst. Wie du schon allein der Grammatik entnehmen kannst, ist Zugehörigkeit ein sehr komplexes Thema, vor allem in Gemeinschaften. Gemeinschaft leben bedeutet quasi ständig aushandeln:
Welche gehört dazu?

Auf wen lasse ich mich ein, bei wem halte ich mich zurück und bin ich selbst überhaupt dabei. Besonders deutlich wird diese Thematik bei der Aufnahme neuer Menschen. Alle möglichen Themen werden nach oben gespült. Vor allem, weil es ein zelluläres Gedächtnis gibt, das sich mit dem Tod bedroht fühlt. In grauer Vorzeit bedeutete aus der Gruppe ausgeschlossen zu werden, fast sicher den Tod. Alleine zu überleben war kaum möglich.

Unsere Vorfahren waren soziale Wesen, anderen Tieren in allen Belangen unterlegen, sie überlebten nur durch ihren Zusammenhalt. Wenn eins, aus welchem Grund auch immer, ausgeschlossen wurde, war es sehr schwer sein Überleben zu sichern. Dies ist mit ein Grund, dass Zugehörigkeitsverhandlungen bzw. Aufnahmeverfahren meist sehr nervensystemaufwühlend sind. Auch wenn wir wissen, dass wir nicht sterben müssen, wenn wir nicht aufgenommen werden, so ist doch unser Nervensystem in heller Aufruhr. Das gilt nicht nur für jene, die aufgenommen werden, auch jene, die aufnehmen, können sich nicht davon freimachen, dass die Entscheidung sich gefährlicher anfühlt, als sie in Wirklichkeit ist. Was die Heftigkeit der Auseinandersetzungen erklärt, die immer wieder um dieses Thema gefühlt … äh, geführt werden.

Je nach persönlicher Geschichte kann die Heftigkeit variieren. Habe ich beispielsweise eine sichere Heimstatt gehabt, in meiner Kindheit fraglose Zugehörigkeit erlebt, gelingt es mir später auch einfacher und unaufgeregter mich in andere Systeme/Gemeinschaften einzufügen. Wenn ich die Zugehörigkeit, innere Ruhe, mein Zentrum nicht in mir habe, sondern von Anderen die Bestätigung brauche, dass ich gewollt, wichtig oder einfach nur gut bin, kann solch ein Aufnahmeverfahren einen emotionalen Tornado auslösen. Wir versuchen uns bewusst darüber zu sein, was alles ausgelöst werden kann in einem solchen Prozess. Dennoch wird es immer wieder heftig. Wir haben schon verschiedene Methoden zur Aufnahme neuer Gemeinschaftsmitglieder bzw. zur Entscheidung darüber welche wir aufnehmen erprobt, doch ohne Spannungen, sind wir selten klargekommen.

Es ist einfach ein großes Thema diese Zugehörigkeit, diese Frage:

Gehöre ich dazu?
Oder: Gehörst du dazu?
Oder: Will ich dich dabei haben?
Und: Wenn ja warum nicht?

Es gibt verschiedene Strategien wie Neulinge damit umgehen. Manche versuchen alle Eventualitäten zu klären, um die Entscheidung, ob sie dazugehören wollen zu klären.

Ist das ZEGG mein Platz?

Dazu muss ich erst noch klären: Wo ich hier wohnen kann. Wie ich hier mein Geld verdiene. Mit wem ich hier befreundet bin. Etc. Das sind wichtige Fragen. Sie müssen geklärt werden. Die Frage ist nur, sind die Klärungen dieser Fragen eine gute Entscheidungsgrundlage für die Frage, ob das ZEGG was für dich ist. Ich denke nicht. Wenn du dazugehören willst, dann weißt du es. Du weißt auch warum. Du wirst alle Fragen klären, aber du wirst deine Entscheidung nicht von der Klärung der Fragen abhängig machen.

Das ist übrigens keine rein philosophische Überlegung. Es ist ein Erfahrungswert aus über 20 Jahren Gemeinschaftserfahrung. All jene, die erst alle Fragen klären wollten, bevor sie bereit waren, sich aufs ZEGG oder eine andere Gemeinschaft einzulassen, versuchen heute noch Klarheit zu finden, gehören aber nicht dazu. Andere sind einfach geblieben. Weil sie es wollten. Weil sie geklärt haben, was zu klären war und sich ihre Existenz hier aufgebaut haben. Dies ist die Reihenfolge, die funktioniert. Ich würde sagen immer und überall im Leben, aber ich kann das nicht mit Studien belegen. Alte Geschichten erzählen, dass Entscheidungen mit dem Herzen getroffen werden, während der Verstand nur dazu da ist, die Bedingungen zu schaffen, damit die Entscheidungen umgesetzt werden können. Das ist bei Zugehörigkeit nicht anders. Wenn dein Herz dir sagt, dass du irgendwohin gehörst, dann lass dich nicht von deinem oder anderen Verständen davon abbringen.

Die vergangene Gemeinschaftsintensivzeit hat wieder an dieses Zusammengehörigkeitsgefühl angeknüpft. Wir konnten die Verbindung spüren, die wir, die wir hier leben, miteinander haben, unabhängig davon, wie lange wir schon hier sind. Uns verbindet ein Ziel, eine Vision. Manchmal sind wir uns uneinig wie nah wir beisammenstehen müssen, um dieser gerecht zu werden. Aber es gibt immer wieder den Zusammenhalt den es braucht, wenn es gilt unsere Aufgaben zu erledigen. Manchmal ist unser Gefühl von Zugehörigkeit erschüttert, aber wir raufen uns immer wieder zusammen, weil wir eben zusammengehören. Über die Art und Weise können wir uns streiten, das ob können wir fühlen.

Markus Euler

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