Dorfkneipe

Ich habe mich zu einem kleinen Interview mit Benno und Nicole verabredet – dem neuen Koordinationsteam der Dorfkneipe. Ich möchte mehr zu den Veränderungen der letzten Monate erfahren und zur aktuellen Stimmung im Team.
Beim Betreten der Dorfkneipe schlägt mir, wie so oft, der süß-aromatische Geruch des Chai-Tees entgegen. Der wird hier vor allem im Winter in großen Mengen gekocht und scheint schon in den Wänden zu sitzen. Benno steht an der Kaffeemaschine, um sich sein Lieblingsprodukt der Dorfkneipe zuzubereiten: Cappuccino. Später wird er mir erzählen, dass über der Kaffeemaschine in der Gemeinschaft Cambium, in der er vor dem ZEGG gelebt hat, der Satz „Meine Lieblingsfee ist die KafFEE“ stand.

Ein Spruch, der ihn belustigt. Bevor wir uns auf den weißen Sofas am Fenster niederlassen, greift Nicole noch schnell einen „Peanut Butter Cup“ von der Theke – eine zuckerfreie Köstlichkeit. Für diese teilen wir beide eine Schwäche. Ich bleibe stark. Jetzt kann es losgehen!

BennoNicole

Benno & Nicole

Über Nicole und Benno – das neue Koordinationsteam der Dorfkneipe

Benno lebt seit vier Jahren im ZEGG und hat von Anfang an in der Dorfkneipe mitgearbeitet. Zu Beginn – in der Corona-Zeit mit ihren Einschränkungen – bedeutete das vor allem Renovieren, Regale schleifen und frisch Ölen, erzählt er. Nachdem er später vor allem hinter der Theke stand, bildet er nun mit Nicole das neue Koordinationsteam. Nicole arbeitet seit sechs Jahren an den Vormittagen fest in der Dorfkneipe. Sie und Benno waren beide vor ca. 14 Jahren das erste Mal als Gast im ZEGG. Nicole war damals als 14-Jährige im Sommer fast jeden Tag in der Dorfkneipe und kaufte einen „Grünen Bären“ – ein Eis, das es damals noch gab – und traf sich mit ihren Freund*innen. Die Dorfkneipe ist für sie schon lange ein zentraler Ankerpunkt und mehr als ein Arbeitsplatz. Es ist ein Ort, wo die Menschen zusammenkommen, die sie mag: „Ein Wohnzimmer eben.“

Dorfplatz

Die Dorfkneipe organisiert sich neu

Im letzten Jahr hat sich in der Organisation der Dorfkneipe einiges verändert, berichten beide: Peer, der Kneipenwirt, der die Dorfkneipe ca. acht Jahre lang organisiert und gestaltet hat, hat im Februar/März 2023 alle Verantwortung an das Dorfkneipenteam übergegeben. Das bedeutete einige Umstellungen für die 10 Menschen des Teams. Es war schnell klar, dass es eine selbstorganisierte Arbeitsweise werden soll. Zu dem Zeitpunkt gab es keine Einzelperson, die die Dorfkneipe wie Peer übernehmen wollte. „Es hat mich sehr berührt, dass alle sofort gesagt haben, `Ja klar übernehme ich Verantwortung!´“, erzählt Benno. „Das hat mir gezeigt, dass da viele Menschen sind, denen die Kneipe auch am Herzen liegt. Das hat uns als Team einen richtigen Schub gegeben.“

Kurz müssen wir das Gespräch unterbrechen, weil Olaf die Dorfkneipe betritt. Er bringt den ersten Kuchen, der am Nachmittag von Seminargästen und Menschen aus der Gemeinschaft verspeist werden wird. Wir versuchen einen Blick zu erhaschen: Himbeer-Sahne-Kuchen!

Anfangs wurden zehn Bereiche in der Dorfkneipe identifiziert, die dann auf das Kernteam verteilt wurden. Jeder Job wird inzwischen von mindestens zwei Menschen gemacht: „Damit wir uns gegenseitig vertreten können und um sicherzustellen, dass nicht alles an einer Person hängt“, meint Benno. „Im Laufe dieses Prozesses ist noch einmal enorme Wertschätzung für das entstanden, was Peer in alle den Jahren allein getragen hat“, fügt Nicole hinzu. Für einen Moment entsteht eine kleine Stille, in der Berührung in uns aufsteigt. Denn unser langjähriger Kneipenwirt und Gemeinschaftsmitglied Peer ist am 01.12.2023 gestorben.*

Zunächst hat das Team es ein halbes Jahr ganz ohne Leitung probiert. In der Zeit hat sich herauskristallisiert, dass zwei Menschen besonders viel Verantwortung übernommen und sich besonders um den Überblick und das Team bemüht haben. Um das auch in den offiziellen Strukturen abzubilden, wurden die zwei – Nicole und Benno – im Oktober 2023 zum Koordinationsteam der Dorfkneipe gewählt. Diese ist Teil des Versorgungskreises innerhalb der soziokratischen Struktur des ZEGGs. Das Koordinationsteam kümmert sich inzwischen um den Überblick über alles, was es in der Dorfkneipe zu tun gibt: betriebswirtschaftliche Aspekte, Schichtplanung, Kasse, Einkauf, Lagerverwaltung, Festivals, den Kontakt zur Gemeinschaft und viele andere Dinge.

Ein Jahr später…

Mich interessiert noch, wie sich das Sein in der Dorfkneipe ein Jahr nach Beginn der Neuorganisation für die beiden anfühlt. „Ich fühle mich sicherer, in dem was ich tue und auch die Zusammenarbeit fühlt sich stabiler an. Die Aufregung des Anfangs ist verflogen.“, meint Nicole. Nachdem sie zu Beginn ihrer Arbeit in der Dorfkneipe vor allem mit Putztätigkeiten und dem Auffüllen von Waren beauftragt war, ist inzwischen viel mehr dazugekommen: „Ich arbeite heute viel selbstständiger, setze selbst die Prioritäten, ändere eigenmächtig Arbeitsabläufe usw.“ Ich meine Freude über diese Entwicklung und das damit verbundene innere Wachstum aus ihrer Erzählung herauszuhören.

Benno erzählt schmunzelnd, dass es für ihn spannend war, welche Dynamik die Koordinationsrolle mit sich bringt: „Oft kamen Leute des Teams auf mich zu und fragten, wie sie bestimmte Dinge tun sollen. Vieles wusste ich auch nicht, weil ich es selbst noch nie gemacht hatte. Allein durch die Rolle kam offensichtlich die Zuschreibung, dass ich alles weiß oder wissen müsste. Dass Wissen und Verantwortung nun mehr auf das ganze Team verteilt ist, ist Teil des Kulturwandels, welchen wir anstreben.“ Heute fragen sich Benno und Nicole und das Team gegenseitig, wenn sie mal nicht weiterwissen. Beide schätzen vor allem die Augenhöhe, mit der sie als Koordinationsteam zusammenarbeiten.

Die Veränderung hin zu mehr Selbstorganisation ist auch im ganzen Team spürbar: „Das Miteinander fühlt sich noch mal gemeinschaftlicher an und das Team bringt mehr eigene Ideen ein als früher und setzt diese um.“, stellt Nicole fest: „Das ist richtig schön, war aber eben auch eine Umstellung“. „Es macht halt einen Unterschied, ob man jemanden hat, der einen Plan hat oder ob die Menschen im Team selbst einen Plan haben.“, ergänzt Benno.

Der Wandel hin zu noch mehr Selbstorganisation innerhalb des Teams passt in eine generelle Entwicklung, die gerade in der gesamten Gemeinschaft spürbar wird: Auch im Geländeteam gibt es gerade Rollen, die auf noch mehr Schultern verteilt werden und es wird noch mehr auf Selbstorganisation gesetzt. Dazu lohnt es sich, in die neue Podcast-Folge mit Jens Höhne zum Geländeteam reinzuhören.

Warten auf die Kaffee-Karla und die gute Fee!

Die aufregendste Veränderung, die für das Team demnächst ansteht, ist die neue Kaffeemaschine. Für die wurde während des Silvester-Retreats im Fundraising Geld gesammelt. Es wird ein pflegeleichtes und vor allem energiesparenderes Modell, u.a. mit einer automatischen Abschaltung über Nacht. Einen Namen hat sie auch bereits, lacht Nicole: „Karla! - Dieser ist aus einem Spaß entstanden. Jack alias Thomas Schrecker hat in dem Maschinenmodell „colour“ [kʌla] spontan den Namen Karla herausgehört.“ Die gleichnamige Freiwillige Karla vom Platz hat ihr Einverständnis glücklicherweise bereits gegeben.

Mich interessiert noch, was die beiden sich wünschen würden, wenn tatsächlich eine gute Fee vorbeikäme und sie jeweils einen Wunsch frei hätten: Nicole weiß ganz schnell, dass sie gerne den Raum der Stille über der Dorfkneipe als Teil dieser sehen würde – verbunden mit einer Wendeltreppe, inklusive Bühne! Benno wünscht sich einen Wintergarten auf der Südseite der Dorfkneipe, um mehr Licht im Raum zu haben und auch im Winter „draußen“ sitzen zu können. Für beide steht vor allem noch mehr Lebendigkeit im Fokus.

Ich gehe sehr berührt aus diesem Gespräch. Vielleicht weil ich selbst so gerne in der Dorfkneipe bin und arbeite. Vielleicht auch, weil ich die große Wertschätzung spüre, die Benno und Nicole füreinander, für die Arbeit und das Team haben. „Die Menschen aus dem Team habe ich einfach richtig gern.“, ist der Satz, mit dem Benno unser Gespräch beschließt.

Maria Müller

* Mehr zu Peers Leben und Tod kann im Januar-Newsletterbeitrag „Nachruf für Peer“ nachgelesen werden.

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